Polarisierung und digitale Durchdringung – Die JuWis beim DGS 2022

In den letzten Jahren hat die informationstechnische Durchdringung das Verhältnis von Arbeit, Technik und Gesellschaft grundlegend und nachhaltig verändert. Vor allem in der Covid-19 Pandemie zeigte sich, wie unterschiedlich die Vielzahl der hochdifferenzierten Arbeitswelten von digitalen Technologien durchdrungen sind. Können einige Beschäftigte problemlos im Home-Office arbeiten, müssen Personen beispielsweise in der kritischen Infrastruktur weiterhin größtenteils ihre physischen Arbeitsplätze aufsuchen. Hier zeigt sich nicht nur eine Facette der Durchdringung, die Hybridisierung von physisch und digitalen Systemen, sondern vor allem die offensichtlichen und von allen viel diskutierten Polarisierungsdynamiken in Bezug auf neue Arbeitsformen sowie Vereinbarkeitskonflikten zwischen Beruf und Privatem. Darüber hinaus lassen sich drei weitere Facetten der Durchdringung – die Vernetzung, die informationstechnische Steuerung von Prozessen sowie die zunehmende informationstechnische Durchdringung von vorher verschlossenen Bereichen – in den Arbeitswelten beobachten. Hierbei ermöglicht die zunehmende Vernetzung unter anderem die Entstehung von neuen Geschäftsmodellen wie Plattformen (z.B. Uber, Lieferando, AirBnB), welche die bestehenden Institutionsgefüge herausfordern. Gleichzeitig führt die informationstechnische Steuerung von Prozessen beispielsweise zur Leistungskontrolle sowie zum Einsatz von sozialen Robotern, die neuen Formen der Zusammenarbeit ermöglichen. Zusätzlich werden Arbeitsbereiche digital durchdrungen, die vorher unter anderem aus normativen, juristischen oder ökonomischen Gründen verschlossen waren, so dass bestehende Ungleichheiten aufgelöst, verstärkt und neue Ungleichheiten geschaffen werden.


Um das Ausmaß und die Folgen sowie die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit der Durchdringung zu fokussieren und ein besseres Verständnis der vielfältigen Prozesse und Dynamiken zu entwickeln, organisierten Dr. Alice Melchior (GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften) und Tim Clausnitzer (TU Berlin) im Rahmen des Netzwerks „Junge Wissenschaft“ eine Ad-hoc Gruppe auf dem 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) im September 2022. Unter der Überschrift „Die digitale Durchdringung und Polarisierung von Arbeitswelten: Facetten, Dynamiken und Grenzen“ wurde diskutiert, inwieweit die unterschiedlichen Durchdringungsdynamiken miteinander verbunden werden können, sich ungleichmäßig entwickeln und verlaufen, in komplexer Weise interagieren und nicht selten in Widerspruch zueinanderstehen. Der erste Teil der Ad-hoc Session bildeten fünf differenzierte Beiträge von jungen WissenschaftlerInnen: Den Auftakt machten Kathrin Ehmann und Marco Seegers (BIBB) mit einem Überblick zu beruflichen Durchdringungsmustern digitaler Technik in Deutschland. Daran anschließend erörterte Mona Bardmann (Universität Hohenheim) am empirischen Fall von Flughäfen die Durchdringung digitaler Systeme in Hochsicherheitsorganisationen. Zum Thema Steuerung und Kontrolle von Platformarbeitnehmenden diskutierte Jasmin Schreyer (FAU Nürnberg) die Arbeitsbedingungen von Arbeitsnehmenden bei Lieferando. Daran anschließend wurde von Dr. Stefan Sauer (FAU Nürnberg) der Fokus auf die Mitarbeitenden in der IT-Sicherheit gelegt und ihrem erfahrungsbasiertem Kontextwissen, um die digitale Durchdringung in Organisationen zu ermöglichen. Abschließend diskutierte David Wandjo (WZB) die Frage, inwieweit die Pandemie als Katalysator für die digitale Durchdringung der Arbeitswelten verstanden werden kann. Anknüpfend an die Vorträge folgte der zweite Teil der Ad-hoc Session in Form einer moderierten und übergreifenden Abschlussdiskussion zusammen mit den Vortragenden, Prof. Dr. Ingo Schulz-Schaeffer (TU Berlin) und Fragen aus dem Publikum.


Insgesamt verdeutlichte die Ad-hoc Gruppe die Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit der Durchdringungsdynamiken und lieferte neben interessanten empirischen Einblicken und spannenden methodischen und theoretischen Diskussionen, eine Vielzahl von fortführenden Forschungsfragen und zeiget das aktive Interesse der Forschungsgemeinschaft an Fragen der Digitalisierung der Arbeitswelten.

Alice Melchior (GESIS)

Tim Clausnitzner (TU Berlin)

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