SPP forscht

Transformation(en) der Chemieindustrie – Ein Besuch beim Chemieparkbetreiber Currenta

von Alexander Bendel

Die chemische Industrie ist in Deutschland, nach der Automobilindustrie und Maschinenbau, die drittgrößte Branche des Verarbeitenden Gewerbes und gehört damit zu den deutschen Schlüsselindustrien. Die Branche ist Teil zahlreicher Wertschöpfungsketten im In- und Ausland. Chemische Stoffe werden unter anderem in der Automobilindustrie, im Maschinenbau, in der Elektroindustrie oder der Bauwirtschaft verwendet. Gegenwärtig befindet sich die Chemieindustrie allerdings in einem tiefgreifenden Umbruch. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und dadurch bedingter – überwiegend politisch forcierter – Maßnahmen der Dekarbonisierung sehen sich die Chemieunternehmen mit der Notwendigkeit konfrontiert, ihre Produktionssysteme und Geschäftsmodelle zu transformieren. Die Chemieindustrie ist dabei gleichzeitig eine hochdigitalisierte Branche, die einen hohen Automatisierungs- und Vernetzungsgrad aufweist und in der die Verwendung computergestützter Systeme weit verbreitet ist. Um aber auch in Zukunft im globalen Wettbewerb bestehen zu können, ist die Branche bemüht, weitere technologische Innovationen zu forcieren und dadurch Rationalisierungspotentiale zu heben.

Vor dem Hintergrund dieser doppelten Transformation kommt den Betreibern der in Deutschland typischen Chemieparks eine wichtige Rolle zu. Mit ihren Dienstleistungen sind sie gefordert, Bedingungen an den Verbundstandorten zu schaffen, die es den dort ansässigen Unternehmen ermöglichen, den skizierten Herausforderungen gerecht zu werden. Im Rahmen des von der DFG geförderten Forschungsprojektes „Digitale und ökologische Transformation in den Re-gulierungsumwelten der Arbeitsbeziehungen“ hat ein Team des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen den Chemieparkbetreiber Currenta in Dormagen besucht, um vor Ort einen Einblick in gegenwärtige Entwicklungen zu bekommen und sich mit betrieblichen Experten auszutauschen.

Synergieeffekte am Verbundstandort

Currenta betreibt in Deutschland insgesamt drei Chemieparks an den Standorten Dormagen, Krefeld-Uerdingen und Leverkusen. Zu den Dienstleistungen, die die Currenta den Unternehmen in den Chemieparks anbietet, gehören zum Beispiel die Ver- und Entsorgung, Analytikleistungen, Umweltmanagement, Infrastrukturservices, Sicherheitsdienstleistungen sowie Logistik- und Instandhaltungsangebote. Bei der anfänglichen Rundfahrt durch den Chemiepark in Dormagen wurden die Dimensionen des Standortes schnell deutlich: Hier sind neben den Chemieriesen Bayer, Lanxass und Covestro auch zahlreiche mittlere und kleinere Unternehmen ansässig, die verschiedenste Produkte der Basis- und Spezialchemie herstellen. Die Nähe der Unternehmen am Standort bietet die Möglichkeit von Synergieeffekten – angefangen bei der Nutzung einer gemeinsamen durch Currenta betriebenen Werksfeuerwehr, bis hin zur Etablierung einer gemeinsamen Kreislaufwirtschaft – und ist damit auch für Neuansiedlungen attraktiv. Augenscheinlich wurde die wichtige Rolle, die Currenta für die Unternehmen in den Chemieparks spielt, auch beim Besuch der Messwarte der Netzführung in Dormagen. Von dieser Messwarte aus werden alle Stromflüsse der drei Standorte überwacht und gesteuert. Hierbei handelt es sich um einen hochdigitalen Arbeitsbereich, in dem spezialisierte Fachkräfte in einem Dauerschichtbetrieb über die Verbundstandorte wachen. Wie in der gesamten Chemiebranche macht sich jedoch auch hier der Fachkräftemangel bemerkbar: Etwaige Stellenvakanzen sind – trotz guter Entlohnung – nicht ohne Weiteres nachzubesetzen.

Digitalisierung und Dekarbonisierung aus Sicht der Mitbestimmung

Überhaupt wurden im Rahmen des Besuchs immer wieder arbeits- und beschäftigungspolitische Implikationen von Digitalisierung und Dekarbonisierung thematisiert. Vor allem im Austausch mit den Currenta-Betriebsräten am Standort wurden Auswirkungen der Transformationen auf Arbeitsanforderungen, Qualifizierungsbedarfe und Beschäftigungssicherheit thematisiert. Betont wurde dabei der sozialpartnerschaftliche Austausch mit dem Management, der nötig sei, um zu gewährleisten, dass Currenta angesichts der zahlreichen Herausforderungen auch in Zukunft weiterbesteht. Der Betriebsrat unterstützt die weitere technologische Modernisierung des Unternehmens und insbesondere auch den eingeschlagenen Weg der Dekarbonisierung, an dem kein Weg vorbeiführe. Wichtig sind aus seiner Perspektive im Rahmen der Transformation allerdings der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen, eine adäquate Qualifizierung der Beschäftigten und Investitionen in die Verbundstandorte – Aspekte, die gemeinsam mit dem Management in einer neu abgeschlossenen Zukunftsvereinbarung reguliert wurden.

Die von Currenta hervorragend organisierte Besichtigung des Chemieparks war letztlich für alle Beteiligten gewinnbringend und konnte das bis dato vorliegende empirische Material des Forschungsprojektes sinnvoll ergänzen.

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