Zeit für Doktorarbeit und Roboter in Edinburgh
Von Anfang Oktober bis Ende Dezember 2023 hatte ich durch das Schwerpunktprogramms Digitalisierung der Arbeitswelten (SPP 2267) die Möglichkeit für drei Monate am „Institute for the Study of Science, Technology and Innovation (ISSTI)“ an der University of Edinburgh in Schottland ein Mercator Fellowship durchzuführen. Das ISSTI, unter der Leitung von Prof. Robin Williams, ist eines der renommiertesten Institute für die sozialwissenschaftliche Technik- und Innovationsforschung weltweit.
In Berührung mit Robin Williams Forschung kam ich bereits ausführlich während meines Techniksoziologie-Masterstudiums an der TU Berlin, insbesondere durch ein Lektüreseminar von Dr. Martin Meister zu Williams Sammelband „The New Production of Users“ mit dem Titel „Der Nutzer im Technikentwicklungsprozess“. Während der Covid-19-Pandemie ermöglichte dann ein von meinem Fachgebietskollegen David Seibt initiiertes internationales Online-Kolloquium („The BOAP-Colloquium“), das Arbeitsgruppen der TU Berlin und der University of Edinburgh zusammenbrachte, den direkten Kontakt und persönlichen Austausch mit Robin Williams. Auf der EASST Conference 2022 in Madrid erörterten Robin Williams und ich schließlich die Möglichkeiten eines Fellowships in Edinburgh.
In meinem Dissertationsprojekt widme ich mich, einfach formuliert, der Frage, wie neuartige kollaborative Industrieroboter, die ohne Schutzvorrichtungen direkt mit den Werksarbeiter:innen zusammenarbeiten dürfen, in den industriellen Betrieb kommen und welche Rolle dabei Intermediäre wie Systemintegratoren oder Vertriebsfirmen (Distributoren) spielen. Da es sich bei nahezu jeder Robotikapplikation um lokale Einzelanwendungen handelt, sind Roboterhersteller auf Intermediäre wie lokale Vertriebspartner, welche die spezifischen Produktionsbedürfnisse der lokalen Fertigungsunternehmen kennen, sowie Systemintegratoren angewiesen, welche die Roboter für die jeweils spezifische Anwendung modifizieren, testen und implementieren. Robin Williams, der seit Jahrzehnten zu den Einführungs- und Implementationsprozessen von ERPs wie SAP in Industriefirmen forscht, war somit der ideale Host für meinen Aufenthalt.
In Edinburgh konnte ich mich somit in ausführlichen, oft stundenlangen Gesprächen mit Robin Williams über meine Doktorarbeit, offene empirischen und theoretischen Fragestellungen zu Implementationsprozessen von Intermediären und Forschungszugängen unterhalten. Zudem war insbesondere der allgemeine Austausch über deutsche und britische Arbeiten zum Themenspektrum sozialwissenschaftlicher Innovationsforschung sehr ergiebig. Robin Williams Interesse, mit den Arbeiten deutscher Forscher:innen zum Thema Digitalisierung und Innovation enger in Kontakt zu kommen, konnte letztlich sogar mit der Gewinnung von Williams als Keynote Speaker auf unserer SPP-Jahrestagung „Work. Transform! Repeat?“ im März 2024 erfüllt werden.
Neben dem Austausch mit Robin Williams, hatte ich in Edinburgh das Glück, mich mit zahlreichen Wissenschaftler:innen auszutauschen, die explizit zu Innovation Intermediaries forschen. Auch ich bezeichne die Distributoren und Integratoren von kollaborativen Robotern als Innovation Intermediaries. Dieser Austausch erfolgte mit James Stewart, der in diesem Bereich zusammen mit Sampsa Hyysalo einen zentralen Beitrag schrieb, sowie mit Matjaz Vidmar und James Bessy, die sich in ihren Doktorarbeiten maßgeblich mit Innovation Intermediaries auseinandersetzten. Zudem konnte ich mich in Edinburgh mit Forscher:innen über die Themen des SoCoRob-Projektes austauschen, wie beispielsweise mit Kathrin Cresswell über Pflegerobotik in Großbritannien oder mit Xiao Yang über AI Implementationen in Krankenhäusern und der Biomedizin.
Neben den vielen Austauschgesprächen, hatte ich in Edinburgh das, was man zum Anfertigen einer Doktorarbeit braucht: Zeit. Diese habe ich primär dafür verwendet, um den Forschungsstand zu Innovation Intermediaries zu beschreiben und um weitere Kontakte zu Systemintegratoren und Distributoren herzustellen. Im Rahmen dessen besuchte ich in Glasgow die Messe „Scotlands Manufacturing and Supply Chain Conference“, um Vor-Ort mit den Roboterintegratoren in Gespräch zu kommen.
Abgerundet hat mein Aufenthalt in Edinburgh mein Vortrag in der Veranstaltungsserie „AI Ethics & Society“ der University of Edinburgh mit dem Titel „Searching and Creating Use Contexts for Collaborative Robots“, in dem ich meinen bisherigen Fortschritt meiner Doktorarbeit präsentierte.
Nicht zuletzt möchte ich mich bei allen beteiligten Personen bedanken, die mir diese interessante und angenehme Zeit in Edinburgh ermöglich haben: Der Dank gilt zuallererst dem Koordinationsprojekt des SPP 2267 in Person von Prof. Sabine Pfeiffer, Jasmin Schreyer, und Dr. Manuel Nicklich, die die Grundlage für das Fellowship administrativ erst geebnet haben. Besonders Dr. Manuel Nicklich, als Hauptverantwortlicher für das Fellowshipprogramm im DFG-Schwerpunktprogramm Digitalisierung der Arbeitswelten, hat sich in die bürokratische Umsetzung des Fellowships gekniet und stand mir bei jeder noch so blöden Rückfrage meinerseits kompetent zur Verfügung. Und auch wenn Robin Williams diesen deutschen Text nicht verstehen wird, möchte ich ihm hier für seine Zugewandtheit, für die ausführlichen und interessanten Gespräche sowie seine (extreme) Gastfreundschaft am ISSTI bedanken. Mein großer Dank gilt zudem Prof. Dr. Ingo Schulz-Schaeffer, der mich bei der Bewerbung für das Fellowship tatkräftig unterstützt und mich während des Fellowships großzügig von den Projektaufgaben befreit hat. Eine virtuelle Umarmung geht an die junge Gruppe internationaler PHD-Studenten am ISSTI. An: Jame Bessy, Xiao Yang, Mayline Strouk und Iñaki Jerez, die mir privat eine vorzügliche Zeit in Edinburgh ermöglicht haben.
Tim Clausnitzer