Digitalisierung und soziale Klasse. (Un-)gleiche Digitalisierungserfahrungen, Zukunftserwartungen und arbeitsweltliche Utopien
Universität Osnabrück
Projekthintergrund
Ausgangspunkt des Projektes ist die Beobachtung, dass sich die Digitalisierung der Arbeit nicht in einem sozialen Vakuum entwickelt, sondern in Arbeitswelten, die durch vertikal und horizontal stratifizierte Klassenlagen gekennzeichnet sind. Vieles deutet darauf hin, dass unterschiedliche Berufe oft sehr unterschiedlich betroffen sind. Während einige Beschäftigte mit wachsender Automatisierung und zunehmender Kontrolle konfrontiert sind, erfahren andere möglicherweise eine Höherqualifizierung und einen Rückgang körperlicher Belastungen. Bisher liegt jedoch noch keine systematische Untersuchung zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf unterschiedliche soziale Klassen vor.
DigiCLASS trägt zur Bearbeitung zweier Forschungslücken innerhalb der Digitalisierungsforschung bei: (a) dem Fehlen von Untersuchungen zu den subjektiven Perspektiven von Arbeitenden auf Digitalisierung und (b) dem Fehlen systematischer Intra- und Inter-Klassen-Vergleichen, die verallgemeinerbare Schlussfolgerungen erlauben. Durch eine Kartographierung der klassenspezifischen Perspektiven auf die Trajektorien des eigenen Arbeitslebens im Zeitalter der Digitalisierung, trägt DigiCLASS sowohl zur Digitalisierungsforschung als auch zur klassenanalytischen Debatte bei.
Fragestellung des Projekts
Das Projekt nimmt den Zusammenhang von Digitalisierung und Arbeitsmarktstratifizierung in den Fokus. Mithilfe eines klassenanalytischen Rahmens lotet es aus, wie die Arbeitenden die Auswirkungen der digitalen Transformation auf ihr Arbeitsleben erfahren und was sie diesbezüglich erwarten. DigiCLASS erforscht (a) sowohl die klasseninternen als auch die zwischen den Klassen bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Digitalisierungserfahrungen der Arbeitenden, (b) ihre Zukunftserwartungen mit Blick auf die Digitalisierung von Arbeit und (c) ihre arbeitsweltlichen Utopien.
Was sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Erfahrungen der Digitalisierung der Arbeitswelt unter Mitgliedern derselben sozialen Klasse? Welche Erwartungen haben Mitglieder unterschiedlicher sozialer Klassen bezüglich der digitalen Zukunft ihrer Arbeit? Welche arbeitsweltlichen Utopien lassen sich arbeitsweltübergreifend innerhalb sozialer Klassen finden? Ziel des Projektes ist es, die Ungleichheitseffekte der Digitalisierung auf die Wahrnehmung der Trajektorien des eigenen Arbeitslebens zu erfassen.
Empirisches Vorgehen
Das Forschungsdesign hat drei Eckpfeiler. (1) Das Projekt richtet sich auf die Erforschung von fünf spezifischen Arbeitswelten als empirische Felder. Um ein breites Spektrum an Tätigkeiten und entsprechenden Klassenpositionen zu erfassen, werden Industrie, Logistik, Landwirtschaft, Gesundheits- und Finanzwesen untersucht. (2) Um Klassenpositionen über die Arbeitswelten hinaus miteinander vergleichbar zu machen, stützt sich das Projekt auf Oeschs Klassenschema, welches vertikale Stratifizierung (Marktposition) mit horizontaler Stratifizierung (Arbeitslogik) kombiniert.
(3) Methodisch beruht das Projekt auf zwei eng miteinander verzahnten Modulen qualitativer Forschung: (a) 25 klassenübergreifende Organisationsfallstudien basierend auf semi-narrativen Interviews (fünf Fallstudien in jeder Arbeitswelt) und (b) 16 klassenhomogene Gruppendiskussionen zur Zukunft der Arbeit (zwei Gruppendiskussionen in jeder sozialen Klasse). Dieses Design ermöglicht es, die Perspektiven der Beschäftigten auf die digitale Transformation sowohl innerhalb als auch zwischen den Klassen zu vergleichen.
Prof. Dr. Hajo Holst
Universität Osnabrück
Insitut für Sozialwissenschaften
Dr. D. Isabell Mader
Universität Osnabrück
Insitut für Sozialwissenschaften
Adrian Scholz Alvarado
Universität Osnabrück
Insitut für Sozialwissenschaften